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Veröffentlicht am 27­.08.2007

Ich bin deine Jutta

In seiner Areopagrede weist Paulus die Athener sehr geschickt auf den unbekannten Gott hin, der doch keinem fern sei (Apg. 17, 22-31). Geht es uns allen nicht genau so, dass wir den unbekannten Gott in unserem Herzen erahnen? Wir kennen ihn, haben ihn aber noch nicht klar erkannt. Abraham, Moses, viele andere Propheten haben ihn uns ein Stückchen näher gebracht, und zweifellos hat uns Jesus wie kein Anderer den bekannten Unbekannten bekannter gemacht.
Er hat uns Ursprung, Sinn und Ziel unseres Lebens aufgezeigt, dazu die "Technik", auf unser Ziel zuzugehen. Er hat uns gezeigt, welches Geschenk uns der Vater mit unserem Leben und unseren Talenten in die Wiege gelegt hat. Und dass es nichts Schöneres gibt, als aus diesem Geschenk ein Gegengeschenk zu machen, Gott "zu lieben aus unserem ganzen Herzen..., mit all' unseren Kräften..." unter Entfaltung all' unserer Fähigkeiten. Ihm mit Worten wie:
"Siehe, ich bin deine Jutta /dein Günther / dein Wolfgang Amadeus" unser ganzes Vertrauen und Können zu schenken. Mozart war nie mehr Mensch, seinem Schöpfer nie näher, als in seiner Musik.
Sicherlich sind wir den gottesfürchtigen Frauen und Männern, die die Botschaften des alten und neuen Testaments auf uns tradierten, zu tiefstem Dank verpflichtet. Aber, in ihrem Bemühen lag teilweise auch von Anfang an eine gefährliche Tendenz.
Bei Markus 10 / 35 ff. lesen wir, dass Jakobus und Johannes Jesus baten, er möge , wenn er in sein Reich käme, den einen rechts und den anderen links von ihm sitzen lassen. Sie wollten also Jesus dazu benutzen, selbst ein bisschen göttliche, absolute Macht über andere Menschen auszuüben. Jesus wies sie zurecht, aber, leider zieht sich diese urmenschliche Begierde seitdem durch die ganze Kirchengeschichte. Dabei werden wir schon im ersten Gebot ermahnt: "Du sollst keine fremden Götter neben mir haben!" Natürlich gab es zu allen Zeiten Meinungsverschiedenheiten über die richtige Interpretation der Botschaften. Aber erst durch Arroganz, Rechthaberei und Herrschsucht führten diese zu tiefen Spaltungen, zu Machtmissbrauch mit unerhörten Missgriffen gegenüber den "einfachen" Menschen und zu völliger Pervertierung des Begriffes "Glauben". An Gott glauben hieß, auch an die Kirche zu glauben - mit all' den katastrophalen Fehlern, die sie mit vielen ihrer autoritären Thesen beging. Gegenüber Andersdenkenden - ebenfalls alle Kinder des einen Vaters, unsere Schwestern und Brüder - wurde seit Augustinus ein eherner Vorhang hochgezogen, zuletzt formuliert im Dogma des Konzils von Florenz 1442: "Die Kirche bekennt, dass jeder..... dem ewigen Feuer verfällt, wenn er sich nicht vor dem Tod der katholischen Kirche anschließt" ("extra ecclesiam nulla salus"). Pikanterweise wurde dieses ("unfehlbare"!) Dogma durch die Ökumene-Erklärung "Nostra aetate" des letzten Konzils, in welcher anerkannt wurde, dass auch außerkirchliche Wege zum Heil führen können, klammheimlich aufgehoben. Damit stellt sich aber generell die Frage, ob Dogmen nicht in die Kategorie "Gottesurteile" gehören, die als Blasphemie abzulehnen sind.
Exkommunikation, Zwangsbekehrung, Kreuzzüge und andere Religionskriege, Unter-drückung neuer Erkenntnisse, Dogmatismus, Inquisition, Hexenwahn, Diskriminierung der Frauen: Man könnte diese Liste schwerer Fehler lange weiterführen. Das Schlüsselwort für diese Strategie der Einschüchterung heißt "Gehorsamsglauben". Was Jesus vom Gehorsamsglauben seiner Zeit hielt, ist bekannt. Wie etwa Pius IX. darüber dachte, ebenfalls. Auf dem II. Vatikanischen Konzil entstand der Eindruck, dass die katholische Kirche endlich katholisch, weltoffen, würde. Zweifellos wurden damals viele positive Ansätze erarbeitet. In der Konstitution "dei verbum" definierte das Konzil "Gehorsamsglauben" als Gehorsam gegenüber dem Vater - und setzte ihn gleich wieder mit Gehorsam gegenüber der Kirche gleich, wobei in Streitfällen nur dem lebendigen Lehramt eine verbindliche Autorität zukomme. Wir sollen die katholische Kirche (trotz aller Defizite und Fehler) weiterhin als einzige authentische Kirche Jesu bekennen. Neben dem Treueeid formulierte der Vatikan 1989 einen Glaubenseid, der alle katholischen Amtsträger und Theologen zwingt, neben den "unfehlbaren" Dogmen auch "definitive Lehrentscheidungen" (z.B. Ausschluss der Frauen vom Priesteramt) und "die authentische Glaubens- und Sittenlehre" selbst in solchen Einzelheiten, die nicht als definitiv verpflichtend verkündet werden, anzuerkennen. Dazu einige Kommentare herausragender Theologen:
Kardinal Joseph Ratzinger 1966 anlässlich der einsamen Entscheidung Pauls VI. über die Empfängnisregelung:
"Über dem Papst steht noch das eigene Gewissen!"
Albert Keller S.J.:
"Jeder Denkende ist ein Andersdenkender, jeder Glaubende ein Andersgläubiger".
Kardinal Lehmann 2007:
"Ich glaube nicht an die Kirche und an das Christentum; ich glaube nur an Gott!"
Glauben ist unsere ganz persönliche Antwort auf Gott. Die Religionen können uns dabei mit ihrem Erfahrungsschatz wertvolle Hilfen anbieten, aber, sie haben dem Einzelnen nichts hineinzureden. Weiß die katholische Amtskirche eigentlich, was sie von uns verlangt, wenn sie uns brav nachplappern lässt: "Ich glaube ... an die heilige katholische Kirche"? Sollen wir etwa alle ihre Fehler aus Vergangenheit und Gegenwart kritiklos mittragen? Sollte sie sich nicht erst einmal daran halten, dass der "sensus fidelium", der Glaubenssinn des gesamten Volkes Gottes (der freilich nie hinterfragt wird!! Bei wichtigen Entscheidungen kommen ja doch nur immer wieder die gleichen Würdenträger zusammen!), das Maß der Kirche ist?
Das Abendland befindet sich seit ca. 400 Jahren in einem gewaltigen Paradigmenwechsel: Die Menschen befreien sich mehr und mehr von allen Feudalsystemen und Bevormundungen, nehmen ihr Leben immer mehr verantwortungsvoll in die eigene Hand. Wenn die Amtskirche die Zeichen der Zeit (wieder einmal) nicht erkennt und sich auf die Rolle besinnt, zur Freude der Laien zu dienen, anstatt sich selbstherrlich als Herrin über ihren Glauben aufzuspielen, wird sie von der Geschichte weiter abgestraft werden. Der Glaubenssinn, und nicht die Amtskirche, wird dem Volk Gottes den Weg weisen, darüber hinaus muss jeder Einzelne zu seinem ganz persönlichen Credo finden, so, wie "Jutta".
St.-Exupéry schrieb einmal: "Wenn eine Frau mir schön vorkommt, kann ich nicht über sie sprechen. Ich sehe sie einfach lächeln. Die Gelehrten zerlegen das Gesicht, um es aus seinen Teilen zu erklären. Aber das Lächeln sehen sie nicht mehr". Wir Laien warten doch darauf, anstatt mit dogmatischer Sturheit (à la Pius IX. oder Ottaviani) abgespeist oder in das eifer- süchtige Gelehrtengezänk über größere Authentizität hineingezogen zu werden, das Lächeln deutlicher zu erkennen. Auch Marias Credo war ganz einfach: "Siehe, ich bin eine Magd des Herrn". Ohne katholisches /evangelisches / orthodoxes Wenn und Aber. Denn für die Liebeserklärung an Gott ist das Konfessionsgezeter viel zu unwesentlich.

Hans Förg

Zuletzt geändert am 28­.08.2007